Bericht von Pfarrer Bernhard Kiy, Gemäldefund
Am Samstag, 29. April 2006, kurz vor dem Abriß unseres alten Kirchhauses, bin ich am frühen Abend zusammen mit meinem Sohn Malte Simon ein letztes Mal vom Dach bis zum Keller durch alle Räumlichkeiten unseres alten Kirchhauses, Frankenstr. 28, gegangen. Das Haus sollte der Abbruchfirma besenrein übergeben werden.
In Eigenleistung hatte die Kirchengemeinde alles für den Abbruch vorbereitet. Als ich wieder auf dem Hof stand und auf das Stallgebäude schaute fiel mir ein, dass sich bisher wohl keiner um die Dinge auf seinem Dachboden gekümmert hatte. Ich stieg also hinauf und schaute mich auch dort um. Glücklicherweise war hier alles besenrein.
Auch der Taubenschlag, der dort einmal eingebaut war, war entrümpelt worden. Als ich mich auf meine Zehenspitzen stellte, um auf die über dem Taubenschlag eingezogene Zwischendecke zu lugen, konnte ich im mittlerweile diffusen Licht der Abendsonne, das durch ein paar Glasdachpfannen für sparsame Beleuchtung sorgte, etwas Baumaterial erkennen und Zeitungsreste einer BZ aus den 80-iger Jahren. Da die Konstruktion der Zwischendecke sehr wacklig war, traute ich mich nicht, mich an ihr hochzuziehen, aber ich streckte mich doch noch etwas mehr und meinte in den letzten Sonnenstrahlen so etwas wie einen Teil eines Bilderrahmens zu erkennen. Hatte ich mich verguckt und vom diffusen Licht täuschen lassen oder lag da tatsächlich etwas verborgen, wonach ich schon lange gesucht hatte, nämlich Inventar aus der Zeit vor der großen Renovierung von 1964 – 1967, der unschätzbare Gegenstände unserer Kirche, auch sakraler Art wie z. B. das Taufbecken oder der Kronenleuchter, zum Opfer gefallen sind.
Am nächsten Morgen sind mein Sohn Malte Simon und ich lange vor dem Gottesdienst nun mit Taschenlampe und Trittleiter ausgestattet zum Kirchhaus marschiert. Als er vor mir auf der Leiter stehend in die hintere Ecke der Zwischendecke leuchtete, war klar, dass das ein Bilderrahmen sein mußte. Vorsichtig räumten wir alte Ziegeln, Baumaterial und Schutt beiseite und entdecken einen kompletten Bilderrahmen.
Aus dem Band von 1900 über „Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Braunschweig“ von Paul Jonas Meier wusste ich, dass die Kirche über einige Gemälde verfügte. Diese Inventarliste war mir bekannt und sofort schoß mir durch den Kopf, dass wir einen phantastischen Fund gemacht haben mussten. Ganz begeistert und aufgeregt kletterten wir zurück nach draußen und waren völlig überrascht und irritiert, als wir unter einer dicken Staubschicht Konturen einer Abendmahlsszene erkennen konnten. Wie ein Abendmahlsgemälde auf einen Dachboden eines Stallgebäudes gelangt, 40 Jahre unentdeckt bleibt und quasi 24 Stunden vor dessen Abriß vor seiner Zerstörung gerettet wird, ist ein unfassbares Geschehen.
In dem Band von 1900 über „Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Braunschweig“ von Paul Jonas Meier erfahren wir dann, dass die Kirche aus dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts stammt und vollständig neu ist. Er beschreibt darin ein Ölbild über dem Altar mit der Darstellung des Abendmahls aus der Zeit um 1700.
Viele ältere Lammer erinnern sich noch an dieses Gemälde. Viele Jahre war es wie so viele Gegenstände aus unserer Kirche verschollen. Eine überaus glückliche Begebenheit hat es mir in die Hände gespielt. Es hat insofern eine besonders herausragende Bedeutung für die Geschichte der Kirche und des Ortes, weil es aus dem Kirchengebäude stammt, dass Pastor Warnecke um 1790 beschreibt und das um 1800 aufgrund gravierender Baumängel abgerissen werden musste. Es ist dann Teil des Altars der Kirche geworden, die am 31.10.1824 an gleicher Stelle neu errichtet und eingeweiht wurde. Der Restaurator, Herr Dudeck, hat das stark beschädigte Ölbild restauriert. Eine Signatur konnte er leider nicht finden. Er datiert das Gemälde um 1700.
Zur Schlüsselübergabe am Samstag vor Kantate, 05. Mai 2007, als die Fertigstellung unseres neuen Kirchhauses gefeiert wurde, hat es nach 40 Jahren wieder in der St. Marien Kirche seinen Platz gefunden.
Bernhard Kiy, Pfarrer an St. Marien zu Lamme, 06.2007
